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Zu Besuch bei den Macherinnen vom WILDHOOD STORE

Zwei Frauen, zwei Wohnungen und ein Business. Wir haben Antje und Henrike vom WILDHOOD STORE zu Hause besucht und uns umgeschaut, wie die zwei Shop-Betreiberinnen Family, Job und die Vorliebe für schöne Dinge verbinden.

Zu Besuch bei Antje

Hinter WILDHOOD STORE verbirgt sich laut eurer Webseite ein „Concept-Store für kuratierte Outdoorwaren“. Das klingt nicht nur toll, sondern ist es auch! Was können wir uns genauer darunter vorstellen und vor allem, wie seid ihr auf die Idee gekommen einen Shop und eine Webseite nur für Outdoorprodukte ins Leben zu rufen?

-        Antje: Als ich mit meiner zweiten Tochter vor fast vier Jahren in Elternzeit war, entdeckte ich das Buch “The Outsiders” und wußte im selben Moment, dass ich diese Idee des “new outdoor movement” in einen Concept Store verwandeln will. Bei einem gemeinsamen Kaffee mit Rike an einem der letzten schönen Sommertage entschieden wir, dieses Abenteuer gemeinsam zu wagen.

-        Rike: Wir kennen uns ja schon super lange. Vor fast 18 Jahren haben wir in Weimar zusammen angefangen zu studieren. Danach verliefen unsere beruflichen Wege zunächst getrennt. Aber dann trafen wir uns 2015 in einer superschönen Büro-Gemeinschaft in Kreuzberg wieder – zusammen mit anderen Designern, Programmierern und dem Fotografen Marcus Nyberg, der auch viele unserer Bilder macht. Mittlerweile sind wir beide Eltern, haben jeder eine vierköpfige Familie – und Camper Vans :) Mit dem Familienleben kam der Wunsch, mehr Zeit draußen zu verbringen und die laute Stadt am Wochenende zu verlassen.

-        Antje: So haben wir im Herbst 2015 unser WILDHOOD gegründet: einen Concept Store für das wilde Leben draußen  – und überall. Bei uns geht es um Natur, Camping, Wandern, Vanlife, Radfahren und viele andere Dinge, die man draußen machen kann, natürlich auch um Picknicks im Park und so. Dafür wühlen wir uns tagein, tagaus wie Trüffelschweine durch’s große Internet und finden die essentiellsten und schönsten Dinge, die man besser im Gepäck dabei hat. Dinge, die einen im Freien nicht im Stich lassen, die man aber auch gut im Alltag gebrauchen kann.

-        Rike: Wir starteten erstmal online und bauten unseren Shop Shritt für Schritt auf. Letzten Herbst sind wir dann nach fast zwei Jahren in neue Ladenräume in Neukölln gezogen. Seitdem gibt es WILDHOOD auch offline zu erleben.

Beim Shooting haben wir erfahren, dass ihr euch beide beim Studium an der Bauhaus Uni in Weimar kennengelernt habt. Was habt ihr da studiert und vor allem, was habt ihr mitgenommen aus der guten Studizeit? Gerade die Bauhaus-Universität hat ja im Bereich Grafik und Kunst einen Glamourfaktor, wir sind uns sicher, dass ihr hier viel mitgenommen habt. Welche Designer und Künstler inspirieren euch nach wie vor?

-        Antje: Wir haben beide Mediengestaltung studiert, ein damals ganz neuer Studiengang, der sehr frei und sehr künstlerisch angelegt war. So konnten wir von Video über Performance bis Mode alles ausprobieren und haben die Zeit in sehr guter Erinnerung. Rike und ich haben viel Zeit auf Musikfestivals verbracht und ganze Wochenenden in meinem alten Auto oder im Minizelt übernachtet.

-        Rike: Lustigerweise haben wir irgendwann ganz unterschiedliche Richtungen eingeschlagen – ich habe mich früh auf Film konzentriert und bin bald nach Berlin gegangen, um in diesem Bereich zu arbeiten. Dort hat es mich dann allerdings in Richtung Grafikdesign gezogen, was ich bis heute mache.

-        Antje: Ich war bis zum Schluss in Weimar. Und hab eigentlich nichts ausgelassen: Parties in leerstehenden Häusern, Mitarbeit im Studentencafé, endlose Nächte im Schnittraum, Streik, Sommer im Ilmpark – das ganze Leben und auch das Studium waren gefühlt super frei. Was einerseits toll war, andererseits auch beängstend. Das Studium habe ich als Multitalent verlassen – nichts so richtig können, aber vieles ein bisschen. Erst langsam wird mir klar, dass das eine große Stärke ist. Wir haben von Anfang an gelernt, dass es keine Grenzen gibt: Wenn wir etwas nicht konnten oder nicht Bescheid wussten, war das kein Hinderungsgrund. Dann haben wir es uns eben angeeignet und sind mit der Aufgabe gewachsen. Das ist heute immer noch so.

Ihr wohnt in Kreuzberg, arbeitet im Norden Neuköllns. Warum habt ihr euch beide für Kreuzberg entschieden? Seit wann wohnt ihr in Kreuzberg?

-        Rike: Ich bin 2001 zunächst nach Schöneberg gezogen und ein Jahr später nach Kreuzberg 36. Nun wohne ich schon über 15 Jahre im Kiez um den Görlitzer Park.

-        Antje: Ich bin erst 2010 nach Berlin gezogen – hochschwanger zu meinem Freund, der eben schon im Graefekiez wohnte. Eigentlich hat sich das einfach so ergeben. Kreuzberg war schon immer nett. Und jetzt sind wir richtig verwurzelt mit Familie, Business und Schule und allem Pipapo. Unsere Kinder sind waschechte Kreuzberger.

-        Rike: Nach Neukölln hat uns eher der Zufall verschlagen. Antje hat neben unserem Laden ihre Kita und kam irgendwann mit der Vormieterin ins Gespräch. Da wir schon länger auf der Suche nach etwas Größerem waren, haben wir dann im November Nägel mit Köpfen gemacht. Einen “richtigen” Laden als solches wollten wir eigentlich gar nicht. Aber mitgehangen, mitgefangen… jetzt verkaufen wir online und offline und wachsen mit unseren Aufgaben.

Zu Besuch bei Rike

Berlin-Kreuzberg und auch Neukölln sind  ja gerade in puncto Gentrifizierung ein Streitthema. Menschen wollen Veränderungen und neue Geschäfte und Cafés, aber gleichzeitig gibt es Unmut zum Thema Mieterhöhungen und Verdrängung von Mietern. Spürt ihr etwas davon bzw. könnt ihr diesen Unmut nachvollziehen?

-        Rike: Ich sehe das mit gemischten Gefühlen – mittlerweile habe ich zwei Kinder und freue mich natürlich, wenn es sauberer ist oder ich mich im Park nachts nicht mehr fürchten muss. Auf der anderen Seite habe ich den Eindruck, das viele Leute hierherziehen, die sich zum Beispiel der Geschichte von Kreuzberg 36 überhaupt nicht bewußt sind und sich dann wundern, dass der Kiez sich wehrt. Das fällt mir vor allem bei Gewerbe auf. Ich finde die Aufwertung des Kiezes nicht per se schlecht, aber ich denke, dass alle – neue Bewohner genauso wie Investoren – mehr Verständnis für die Alteingessenen mitbringen müssten. Ich kann verstehen, dass viele in ihrer Angst, hier bald keinen Platz mehr zu haben, sich erstmal gegen alles Neue sträuben. Gleichzeitig finde ich aber natürlich alle Formen von Zerstörung oder Gewalt in diesem Zusammenhang überhaupt nicht ok – es verhärtet nur die Fronten. Dabei könnten alle von behutsamen Veränderungen hier profitieren. Leider glaube ich nicht, dass am Ende schon alles gut werden wird: Ich finde mit meiner Familie ja selbst keine größere Wohnung, um hier wohnen zu bleiben, und auch unser altes Büro war akut von Verdrängung bedroht. Das ist schon absurd, dass wir irgendwann aus dem Kiez raus müssen, wo er nun immer lebenswerter wird.

-       Antje: Ich finde es ziemlich erschreckend, wie diese Entwicklung anscheinend vor Nichts und Niemandem halt macht. Wir sind förmlich in unseren Wohnungen eingesperrt. Mit Kind und Kegel zieht man ja auch nicht mal eben ganz woanders hin. Kein Weg dauert bei uns länger als 15 Minuten – Kita, Arbeit, Schule – alles im Umkreis. Und nur darum funktioniert unser Alltag. Nur deswegen können wir beide voll arbeiten. Klar, sind das bei uns auch irgendwie Luxusprobleme, dass die Kinder keine eigenen Zimmer haben werden, dass vor der Tür nachts zu viele Touristen cornern, dass unser Hof nicht nice begrünt ist, sondern voller stinkender Mülltonnen. Wir hätten schon letztes Jahr dringend was Größeres für unser Büro gebraucht, aber der Markt war total verrückt geworden. Wir haben fast ein dreiviertel Jahr gesucht. Dir werden die letzten Löcher zu horrenden Preisen angeboten. Aber Kreuzberg, wie auch Neukölln, heißt immer noch: Fixer im Hausflur, brennende Autos, Müll und Hundekacke an jeder Ecke, Dealer im Park und Verkehrschaos hoch 10. Und leider übersehen viele bei dieser Diskussion, dass man in Berlin immer noch nicht das gleiche Geld verdient, wie in anderen Städten, in denen diese Mietpreise schon alltäglich sind.

Kreuzberger Nächte sind ja bekanntlich lang. Natürlich gibt es auch am Tage viele Orte zu sehen. Wo geht ihr am liebsten mit und ohne Kinder im Kiez aus?

-        Rike: Meine Nächte sind gerade nicht mehr ganz so lang, aber ich bin mit den Kindern viel im Görlitzer Park und im Sommer tatsächlich oft im Prinzenbad. Wenn uns das zuviel wird, ist die Plansche im Plänterwald eine gute Option. Ich mag auch den Holzmarkt (was strenggenommen natürlich nicht mehr Kreuzberg ist) – in die Bar “Pampa” kann man prima Kinder mitnehmen, sehr schön an der Spree sitzen, essen und trinken, während die Kleinen im Sand buddeln oder mit Pizza backen – und wenn der Babysitter Zeit hat, verbringen wir gerne einen Abend im “Katerschmaus” oder rund um die Markthalle. Ohne Kinder ist bei wärmeren Temperaturen abends der Bouleplatz am Landwehrkanal ein schöner Ort zum Sitzen – und ich liebe Masala Dosa und bin deswegen häufig  bei Chutnify (was eher Kreuzkölln ist). Für dieses Jahr habe ich mir auch fest vorgenommen, der Insl in Kyritz einen Besuch abzustatten, aber das ist nun wirklich kein Kreuzberg mehr….

-        Antje: Ja, haha, meine Nächte enden meist um 9 im Bett meiner Kinder. Wenn ich mal “rauskomme”, mag ich das “St. Barth” in der Graefetraße. Das Essen ist einfach superlecker, auch wenn das Konto nach einem Besuch leer ist. Da ich nicht mehr so oft weggehe, ist das dann auch ok. Mein Lieblingscafé ist die “Kaffeebar” bei mir in der Graefe. Die ist so lange im Kiez, wie ich selbst und dadurch fühle ich mich ganz besonders verbunden. Dort gibt es einfach die besten Croissants. Meine Kinder lieben grundsätzlich alle Spielplätze im Kiez, den Secondhandladen “Anna och Larson” bei uns unten und den Bäcker “The Bread Station” am Maybachufer. Am Wochenende machen wir gerne zusammen die Märkte um uns herum unsicher: am Maybachufer, am Südstern und in der Markthalle 9. Doch im Sommer sind wir eigentlich (ehrlich gesagt) fast jedes Wochenende im Umland unterwegs – bei Sonnenschein hält uns nichts mehr in der Stadt.

Hier findet ihr den WILDHOOD Store: Website / Instagram / Facebook / Weichselstraße 22 ,12045 Berlin 

Interview: Maria-Silva Villbrandt / Familienfoto von Antje: Foto: Kathrin Spirk/ Fotos: Jules Villbrandt